
Verschwendung
Er hatte grosse Lust auf Erotik, Sex, einer Sache, in der er ohne jede Erfahrung war, und er war ungeschickt genug, seinem Begehren Ausdruck zu verleihen. „Nein“, sagte die junge schöne Frau, die ihn belustigt anschaute, ihre Augen blau wie das morgendliche Meer, und lächelte in selbstgefälliger Verweigerung. Er lernte also, dass Ehrlichkeit nicht zum Ziel führte. Der Trieb musste bemäntelt werden, umschmückt, verkleidet, lauschige Pfade waren nötig, über blumige Wiesen, Duftkerzen, romantisches Beiwerk aller Art, für ihn lächerliche und nebensächliche Dinge, stets knapp an der Grenze zum Absturz in den Kitsch und in dümmliche Sentimentalität. Aber anders ging es offenbar nicht. Überhaupt war Vorsicht geboten, daran bestand kein Zweifel, Spott drohte, kalte Abweisung. Das alles war ärgerlich, unverständlich, was wiederum keinesfalls zu zeigen war. Im Gegenteil musste Verständnis gemimt werden, sollte der Weg zur erträumten Lust frei werden. Der Weg zur Intimität war mit Lügen gepflastert. Es war ja in diesen Jahren des aufkommenden Feminismus üblich geworden, Männer als hinderliche Einrichtungen zu verlachen, als auf komische Weise zerstreute und unfähige Wesen. Der Feminismus hatte einen fröhlichen Männerhass mit sich gebracht. Das Ungeschick der Männer bei den simpelsten häuslichen Arbeiten, und sogar - wenn der Wermut geflossen war - die sexuellen Bedürfnisse und Forderungen der Männer, so ungeduldig, primitiv und ohne Ausdauer - all das wurde fröhlich verspottet. Männer schienen groteske Eindringlinge zu sein, Schornsteinfeger in einem Schneepalast. Für ihn dagegen waren Frauen sehr real, aber unerreichbar, wie die Weltbank, herrschend, aber unberührbar, wie die staatliche Rechtssprechung. Liebeslust, eine wolkige, zähflüssige Tinte, überschwemmte sein Inneres, erfüllte seine Hände mit prickelndem Druck, wenn er nahe genug an eine Frau herankam. Im Bemühen, alles richtig zu machen, küsste er ihre Hände. Sie waren korrupt und kalt. Keine schien seine Leidenschaft zu spüren, seinen doch - wie er sich ganz zu recht sagte - so wohlproportionierten Körper, seine scheue Anmut, keine schien seinen erfrischenden Sadismus und seine üppigen Männlichkeit zu bemerken. Was für eine Verschwendung, und welche Qual für die junge Männerseele.