
An einem Vorfühlingsnachmittag
An einem Vorfühlingsnachmittag,als die Wärmeankündigung der scheu zwischen den grauweissen Wolken aufscheinenden Sonne sich angesichts einer strengen Bisenlage als trügerisch erwies, trat er nach längerem wieder einmal vor die Tür, lenkte seine Schritte Richtung Stadt, um sich ein wenig umzusehen, spürte schon bald, wie wohl ihm das Gehen und die Bewegung tat, und setzte sich nach einem längeren Rundgang von der ungewohnten Anstrengung ermattet auf eine dunkelgrün bemalte Parkbank, dies in der Hoffnung, durch die kargen Sonnenstrahlen etwas Wärme auf sich einwirken lassen zu können. Wie er da so sass, ging ein Mädchen an ihm vorbei, am Rücken einen bis zum Zerreissen durch ein Übermass an Inhalt gespannten Schülerrucksack, dazu über die Schultern links und rechts je zwei oder drei Taschen hängend. Zum Verwundern erschien es ihm, mit wie Vielem beladen ein junger Mensch, noch ein Kind eigentlich, sich abplagen musste, erstaunlich schien ihm auch, was heutzutage für die Alltagsbewältigung offenbar alles mit sich zu führen war. Schwer beladen wie ein sich in Migration befindlicher, unbeheimateter Mensch schwankte hier schon ein Kind durch die Strassen, gleichsam wie wenn in jedem Augenblick damit zu rechnen wäre, alles zurücklassen zu müssen ausser dem, was man - sei es zufällig oder ausgewählt - als unverzichtbar gerade auf sich trug. Ob sich darin auch ein verdecktes, verstecktes Wissen darum ausdrückte, dass das Allermeiste, von dem wir üblicherweise annehmen, es gehöre uns, im Grunde nur geborgt, ausgeliehen, wenn nicht sogar gestohlen ist, blieb ihm unergründlich. Und wer weiss, so sagte er sich noch, ob darin nicht auch der Wunsch schlummerte, das allzu Viele, was man gemeinhin sein Eigentum zu nennen pflegte, eines Tages hinter sich lassen zu können - und ob damit sogar etwas Anderes, Unbekanntes, unter der Last der vielen Besitztümer vorderhand noch Verborgenes zu gewinnen wäre.
(Sebald sei gegrüsst; Frühjahr 2021 Lausanne)